ENTSCHEIDEN UNTER DRUCK UND IN SRESSSITUATIONEN.

Oder: Schon einmal auf einem Stuhl geflogen?

In Memoriam Eugene Cernan (*14. März 1934 – T 16. Januar 2017), der (vorläufig) letzte Mensch, der auf dem Mond war.

Eine Entscheidung in einer Grenzsituation zu treffen ist im Cockpit eines Kampfflugzeuges oder an Bord einer Mondlandefähre schwer. Jede Entscheidung bestimmt über Leben und Tod, gerade in einer unwirtlichen Umgebung, 384.400 km von der Erde entfernt. Wie bereitet man sich auf solche Situationen vor, die, wie bei der ersten Mondlandung, noch niemand erlebt und durchlebt hat? Wie Sie diese Methoden von Kampfpiloten und Astronauten für Ihre Businessentscheidungen im Chefsessel, als Manager oder Projektleiter nutzen können, wenn es darauf ankommt und was ein Stuhl damit zu tun hat, lesen Sie in diesem Artikel.

20. Juli 1969, 102 Stunden, 38 Minuten und 26 Sekunden Mission Time: Apollo 11 ist kurz vor der ersten Landung auf dem Mond und seit 4 Minuten in der Landesequenz, als die prägnanten Worte ihres Kommandanten Neil Armstrong aus den Lautsprechern in Mission Control in Houston dröhnen: „Program Alarm!“ Buzz Aldrin, der neben Armstrong in der schnell absteigenden Mondlandefähre „Eagle“ steht, starrt auf den Alarmcode „1202“ im Display des Bordcomputers. Es ist ein Fehlercode, aber für was? Die Controller in Mission Control gehen durch ihre Checklisten und versuchen hektisch herauszufinden, was das Problem ist, denn die Zeit ist knapp – die Landefähre ist nur noch 8,8 Kilometer von der Mondoberfläche entfernt.

Steve Bales trifft seine Entscheidung: Go!

„Gebt uns eine Indikation für den Programm Alarm“, sagte Armstrong. Dabei klang er etwas angespannt, aber auch nicht mehr, als während den tausenden von Stunden im Simulator. Weder er, noch Aldrin hatten den Fehlercode jemals gesehen. Es gab auch keine Notfall-Checkliste (sog. „Emergency Procedures“) für diesen Code an Bord auf den sie hätten zugreifen können – er war ihnen schlichtweg unbekannt. „1202“ und ein ähnlicher Alarmcode „1201“, sollte noch mehrmals auftauchen, während die Landefähre der Mondoberfläche entgegenrast.

Am Boden trifft Controller Steve Bales seine Entscheidung und gibt Entwarnung: „Es ist okay mit dem Landeanflug fortzufahren, so lange die Alarmcodes nur unregelmäßig auftreten“. Anders als oftmals kolportiert, waren ihm die Alarme „1201“ und „1202“ bekannt und Sie waren nicht abbruchrelevant, das Problem war nur, er wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, was sie auslöst1).

Neil Armstrong trifft seine Entscheidung: Go!

Aber das war nicht das einzige Problem – die Landefähre war nicht da, wo sie eigentlich hätte sein sollen. Sie würde den geplanten Landeplatz um ca. 4 km überschießen2). Deshalb sahen die beiden Astronauten aus den kleinen dreieckigen Fenstern anstatt der vorgesehenen ebenen Landefläche, nur eine von Geröll und Kratern überzogene Umgebung. Gleichzeitig setzte die 60-Sekunden-Warnung für den Treibstoff ein. Armstrong und Aldrin mussten innerhalb von 60 Sekunden landen oder die Landung abbrechen. Wenn sie unter die 60 Sekunden Reserve gelangen, reicht der Treibstoff nicht mehr aus, um vom Mond wieder an die in der Mondumlaufbahn befindliche Kommandokapsel anzudocken – eine prekäre Situation.

Armstrong trifft seine Entscheidung und schaltet routiniert die Landeautomatik auf semi-automatisch, übernimmt die Steuerung selbst und lenkt nun per Hand einen vermeintlich geeigneten Landeplatz an. Dann geht alles blitzschnell: Das „Contact Light“ geht an, als die Landefähre die Mondoberfläche berührt: Die erste Landung auf dem Mond war erfolgt.

Die bekannten erlösenden Worte von Neil Armstrong signalisieren Mission Control in Houston, dass sie sicher gelandet sind: „Houston, Tranquility Base here … the Eagle has landed.“ Nach der Landung hatten Armstrong und Aldrin noch für 23 Sekunden Reservetreibstoff, so knapp waren sie vor dem Notabbruch.

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Hier können Sie die Mondlandung hautnah selbst noch einmal miterleben.

Sind Sie schon einmal auf dem Mond gelandet?

Stellen Sie sich vor, Sie sind 384.400 Kilometer von der Erde entfernt, in einer kleinen, zerbrechlichen und engen „Konservenbüchse“, mit einer brüchigen Kommunikation zur Erde und in einer unwirtlichen, tödlichen Umgebung. Keiner kann Ihnen helfen, wenn etwas schiefgeht. Andauernd geht ein Alarm an, den Ihnen keiner erklären kann, außer, dass er nicht abbruch-relevant ist – „ein sehr beruhigendes Gefühl“. Warnlichter blinken permanent, Sie sind nicht am vorgesehenen Landeplatz und müssen, während Sie die Landefähre fliegen, nach einem geeigneten Landeplatz suchen, unterdessen zählt Mission Control die Treibstoffreserve bis zum Notabbruch der Landung kontinuierlich herunter. Dabei wissen Sie, dass eine falsche Entscheidung, der kleinste Fehler – ein schiefes Aufsetzen der Landefähre oder sogar ein Bruch von einem der zerbrechlichen Landebeine – zu den ersten Toten auf dem Mond führen kann.

Wie konnten Armstrong und Aldrin eine solche Situation bewältigen, die noch kein Mensch vor ihnen erlebt hatte? Waren sie schon einmal auf dem Mond gelandet? Bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber in unzähligen Simulatorstunden und mental sind sie bereits den Landeanflug und sämtliche Szenarien und Handlungsalternativen durchgegangen. Sie sind mit Sicherheit mehr als tausend Mal mental auf dem Mond unter allen planbaren und undenkbaren Widrigkeiten gelandet. Sie waren auf alle Eventualitäten vorbereitet, deshalb konnten sie so kaltschnäuzig in dieser Ausnahmesituation reagieren, denn sie hatten die Situation schon tausend Mal mental durchlebt.

Sind Sie in Ihrem Business auf alle Eventualitäten vorbereitet?

Zugegeben, Sie sind kein Astronaut, der auf dem Mond landen muss, keine Entscheidung muss in Sekundenschnelle getroffen werden und es geht auch nicht um Leben oder Tod, aber sind Sie in Ihrem Business bei einer Entscheidung auch auf alle Eventualitäten vorbereitet? Haben Sie in jedem Verkaufsgespräch die richtigen Argumente parat, wenn es heiß hergeht und der „Deal eingetütet werden muss“? Sind Sie jederzeit schlagfertig und souverän während einer Präsentation, wenn Ihnen unvorhergesehene Fragen gestellt werden? Haben Sie in einem Meeting sofort die richtigen Handlungsoptionen parat, wenn Sie eine Entscheidung treffen müssen und sich 20 Augenpaare auf Sie richten, während sich eine unangenehme Stille im Raum ausbreitet? Oder beschränkt sich Ihre Kompetenz, was Ihre Entscheidung und Schlagfertigkeit angeht, auf 10 Minuten nach dem Meeting, der Präsentation oder dem Verkaufsgespräch?

Machen Sie es, was Ihre Entscheidung angeht, wie Astronauten und Kampfpiloten. Müssen Sie dazu nach Cape Canaveral fliegen oder in einen teuren Flugsimulator gehen? Nein, alles was Sie brauchen ist ein Stuhl und den leistungsfähigsten, kostenlosen und jederzeit verfügbaren Simulator der Welt – „den zwischen Ihren beiden Ohren“.

Fliegen Sie auf einem Stuhl!

Die Technik nennt sich „Chair Flying“. Wenn Sie ernst zunehmende, erwachsene Menschen sehen, die mit geschlossenen Augen auf einem Stuhl wild mit den Armen und Händen gestikulieren, dann haben Sie es sehr wahrscheinlich mit Kampfpiloten zu tun.

Kampfpiloten gehen jede Entscheidung in sämtlichen Situationen – Routine- & Notfall-Abläufe, den An- und Abflug in das Zielgebiet, ja, ihre gesamte Mission im „Chair Flying“ durch und vollziehen die notwendigen Handgriffe im Cockpit – wieder und immer wieder. Denn wenn ich selbst die undenkbarsten, die „das-passiert-sowieso-nicht-Situationen“ simuliere, habe ich sie bereits durchlebt und weiß exakt welche Entscheidung ich zu treffen und was ich zu tun habe, wenn es darauf ankommt – genau wie Neil Armstrong und Buzz Aldrin oder jeder Kampfpilot.

Bevor Sie demnächst Ihren Business-Plan erstellen, in ein kritisches Verkaufsgespräch, ein Entscheidungsmeeting oder eine Präsentation gehen, gehen Sie durch Ihre Checkliste.

IHRE ANTI-CRASH CHECKLISTE

Überlegen Sie sich alle Szenarien, die möglichen Gegenargumente, die wahrscheinlichen und die undenkbaren Situationen. Stellen Sie sich die „3W-Frage“: Die „Was-Wäre-Wenn-Frage“, wenn dies oder jenes eintritt, die oder jene Frage gestellt wird.
Überlegen Sie sich Ihre Entscheidung bei Ihren jeweiligen Handlungsoptionen, was Sie in der Situation sagen, wie Sie handeln, agieren.
Setzen Sie sich auf einen Stuhl, schließen Sie die Augen und visualisieren Sie die Situation in die Sie sich begeben, die anwesenden Vertreter des Kunden oder den Kunden im Verkaufsgespräch, die Manager im Entscheidungsmeeting, die Zuhörer bei Ihrer Präsentation. Stellen Sie sich die Räumlichkeiten vor, wie fühlt sich das an, wer sitzt wo, wer könnte was wann fragen oder einwenden?
Dann gehen Sie jede Ihrer Entscheidung und jedes Szenario durch – bis Sie sich sicher fühlen.

Und wenn Sie jede Entscheidung für Ihre Szenarien getroffen, alles mental im „Chair Flying“ bereits durchlebt und Sie immer noch nicht genug haben, dann simulieren Sie doch einmal „Ihre eigene Landung auf dem Mond!“

Es ist Ihre Entscheidung!

In diesem Sinne, „stay alert“ und bleiben Sie auf Kurs!

Effektiv planen mit der Red-Team Methode [Whitepaper]

Präsentationen als Entscheidungsinstrument, anstatt „betreutes Lesen“ [Checkliste zum Download]

Risikomanagement mit der R.I.S.C.-Methode [Checkliste zum Download]

Black Box:

Die Rechenleistung des in der Apollo-Kommandokapsel und in der Landefähre verwendeten Computers war äußerst gering. Das Starten Ihres Autos am Morgen benötigt mehr Rechenleistung, als die Mondlandung. Gegenüber dem Apollo-Computer hat z.B. ein iPhone 6 eine 120 Millionen größere Rechenleistung oder könnte 120 Millionen Mondlandung unter damaligen Bedingungen gleichzeitig durchführen.
Die beiden Alarmcodes „1201“ und „1202“ signalisierten eine Überlastung des Bordcomputers (LGC: Lunar Guidance Computer). Die Maximallast des Computers lag bei 85%. Die Überlastung kam zustande, da Aldrin neben dem Bodenradar der Landefähre auch das Rendezvousradar für das Andocken an der in der Umlaufbahn befindlichen Kommandokapsel eingeschaltet hatte. Er wollte bei einem Abbruch der Landung sicherstellen, dass sie Radarkontakt zur Kommandokapsel haben. Als Armstrong und Aldrin einen Höhen-Abgleich (sogenannte „Delta H“) zur Mondoberfläche zwischen dem Bodenradar und dem Computer berechnen wollten, kam es zur Systemüberlastung.
Beim Abdocken von der Kommandokapsel war der Zwischenraum zwischen Kommandokapsel und Landefähre nicht komplett dekomprimiert, so dass die entweichende Luft im Vakuum unbemerkt – wie ein Sektkorken, der durch den Überdruck aus der Sektflasche katapultiert wird – für zusätzlichen Schub sorgte, der zu einer längeren Flugbahn und damit zum Überschießen („Overshoot“) des ursprünglich geplanten Landeplatzes führte.

Bild- und Videonachweis: Mondfähre, lizensiert unter Shutterstock; Apollo 11 landing from PDI to Touchdown, YouTube, Abrufdatum 30.01.2017.

Auf der Suche nach einem Impuls? Hier geht es zur Übersicht der Keynotes und Impulsvorträge: Impulsvortrag.

Holger Lietz

Holger Lietz ist ein Berater und Coach für „Level 10 High Performance Marketing“ sowie internationaler Keynote Speaker. Er steht für „Cockpit & Chefetage“: Ausbildung zum Kampfpilot, 20 Jahre Erfahrung im Top-Management internationaler Bluechips wie Procter & Gamble und American Express, Mittelstands- und Startup-Manager. Heute gefragter Marketingberater und Keynote Speaker, der Mindset, Techniken und Methoden von Überschall-Piloten auf Erfolgsfaktoren für das Business überträgt.

ENTSCHEIDEN UNTER DRUCK UND IN SRESS­SITUATIONEN.